2009-03-25 Die Presse

Der Ariadnefaden durchs Gedenkjahr

Haydns Quartettschaffen zieht sich wie ein roter Faden durch das Wiener Musikprogramm dieses Jahres. Die „Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz“ gehören zum fixen musikalischen Inventar der Fastenzeit. Peter Matic gelang es zum Gedenkjahr im Brahmssaal des Musikvereins, in Komplizenschaft mit dem famosen Artis-Quartett, das Werk in ganz neuem Licht zu zeigen. Sein Kunstgriff war so einfach wie wirkungsvoll: Man ergänzte den gewohnten Ablauf durch ausgewählte Texte (dreimal Neues Testament, viermal Thomas Bernhard, den Abschiedsbrief eines von den Nazis ermordeten 17-jährigen Franzosen sowie den Bericht über eine Palästinenserin, die ihren Sohn zu einem Selbstmordattentat verabschiedet). Facetten des Todes also. Die starke Wirkung stellte sich schon dadurch ein, dass – abgesehen von den rahmenden Evangeliumsauszügen – den Texten je eines der „sieben Worte“ hinterhergeschickt wurde.

Ob man die ausgewählten Zeilen nur als freie Assoziation zu den Sätzen Jesu nehmen oder diese, von Matic provozierend zäsurlos angehängt, als ewig gültigen Kommentar begreifen wollte: Das Verpflanzen der „sieben Worte“ in einen neuen Kontext war geeignet, vielfältige Denkprozesse in Gang zu setzen. Matics nüchterner Stil und das sachliche, aber keineswegs blutarme Spiel der Musiker harmonierten bestens. Haydns eindringliche Musik berührt ja umso mehr, wenn man am Schmalz spart und stattdessen versucht, Keimzellen wie etwa einen viermal wiederholten Cello-Ton zu einer Art letzten musikalischen Wahrheit zu modellieren.
HELMAR DUMBS.
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